Spätestens, wenn einem auf dem Weg zur Arbeit in U- und S-Bahn mehr Trachtler und Dirndl als Jeans- und Anzugträger entgegen kommen, weiß man Bescheid – es ist wieder Wies´n Zeit. Während des Oktoberfestes ist sie einfach nicht wegzudenken aus dem Münchner Stadtbild. Jeder hat eine und trägt sie mit Stolz und ohne Hemmungen den ganzen Tag spazieren – die Tracht!

Lederhosen in allen Variationen, prächtige Dirndl in allen Längen, Farben und mit Dekolletés, die einem schon vor dem Frühstück das Wasser im Mund zusammen laufen lassen. Dazu verraten sie einem gleich auch noch, je nach dem auf welcher Seite die Schleife am Dirndl gebunden ist, ob sich ein Flirtversuch lohnt oder eben nicht - links go / rechts no!.

Traditionelles vermischt sich mit Landhaus, das feine Festtagsdirndl aus edlen Stoffen konkurriert mit dem Mini-Dirndl aus möglichst wenig Stoff und die teure, nach Maß geschneiderte Hirschlederne trifft auf die in China produzierte Faschingstracht, die sich aber auch bestens als Badehose eignet. Na und?! Jedem so, wie es ihm gefällt - getreu dem bayerischen Motto: „Leben und leben lassen!“.

Schließlich war auch die originale, bäuerliche Tracht seit jeher dem Wandel der Mode und der Größe des Geldbeutels unterworfen. Einer der prominentesten Trachtenpfleger war übrigens Prinzregent Luitpold von Bayern, der bei der Jagd oft in einer kurzen Lederhose unterwegs war. Wenn´s mal etwas kälter war gerne auch mit einer langer weißen Unterhose drunter – auch eher Geschmacksache oder? Aber was soll´s – „Liberalitas Bavarie“ eben oder „Jeder wie er´s mog“!

Außerhalb der Wies´n Zeit sieht man die Trachten eigentlich (leider) nur noch auf anderen bayerischen Volksfesten oder wenn die örtlichen Burschenvereine einen Schuhplattler Auftritt beim Garten- oder Pfarrfest haben. Wenn man ganz viel Glück hat, wird man vielleicht auch mal auf eine Trachtenhochzeit eingeladen – dann spart man sich schon das Geld für einen neuen Anzug, den man eh nie wieder anzieht. Bei der Lederhosen schnürt man einfach hinten jedes Jahr ein Stück weiter – das passt dann schon noch mal.

Trachten gab es ja in unterschiedlicher Form schon immer und eigentlich auch überall auf der Welt. Aber speziell die Bayern wussten die besondere Wirkung der Tracht seit jeher zu nutzen, etwa im Kampf gegen die französischen Besatzer, um ein stärkeres National- und Heimatgefühl zu entwickeln. Es heißt, dass schon zum Wiener Kongress im Jahr 1815 Politiker demonstrativ in heimischer Tracht erschienen sind. Eine Hofdame gab ihrer Begeisterung darüber in folgendem Gedicht Ausdruck: „Der Teutsche muß im teutschen Kleide prangen, nicht mehr vom Ausland das Gesetz empfangen. Nicht Modetorheit nur ist unser Streben, mit stiller Tugend ist’s verwandt. Es kehrt ein bess’rer Geist und frömm’re Sitte, vielleicht mit dieser Tracht in unsre Mitte.“

Na gut, ein bisser´l schwülstig vielleicht aber den Kern der Sache trifft´s einfach perfekt! Das beste Beispiel dafür ist doch die Wies´n Zeit: Man steht auf den Bierbänken der Oktoberfest Zelte, verbrüdert sich mit wildfremden Leuten aus aller Herren Länder, liegt sich in den Armen, feiert, schmust und schunkelt gemeinsam zur Blasmusik oder eben dem jeweiligen obligatorischen Wies´n Hit - „A jeder is glücklich, a jeder fuild sich wohl!“. Aber warum soll das spezielle Trachtenfeeling nur zur Wies´n Zeit funktionieren? Man müsste die positive Wirkung, die die Tracht auf die Menschen ausübt, doch auch in die Zeit außerhalb dieser vier Wochen Ende September bis Anfang Oktober rüber retten können, „Peace dank Tracht“ eben…

Probier´mers einfach mal aus oder? Der Spätsommer wird traumhaft und in der Tracht ist´s doppelt schön im Biergarten.

Eure Biergartenfreunde

 

Übrigens: Lederhosen für den Rebell unter den Trachtlern gibt´s bei unserem Partner HimmelArschundZwirn